Verlage bald überflüssig
Manuskripte, die durch das Nadelöhr der verlegerischen Zulassung gehen - das könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Denn die neuen Formen des digitalen Publizierens zeigen schon heute, dass die einstmals zentralen Dienstleistungen eines Verlages von Autoren und Online-Plattformen übernommen werden. Amazon Kindle zeigt, wie es geht.

Schauen wir uns das Handwerk eines klassischen Verlegers an: Der Verleger oder die Verlegerin sichtet die eingegangenen Manuskripte und das von Agenten vorgestellte Material und entscheidet dann, was publiziert wird und was nicht. Was veröffentlicht werden soll, wird von Lektoren überarbeitet und so qualitativ verbessert (vielleicht nicht immer, aber generell sollte es ja so sein). Der Verlag hat bisher den exklusiven Zugang zu den maßgeblichen Plattformen, auf denen kostenpflichtige Publikationen erscheinen.

Genau an diesem Monopol rüttelt nun der Amazon Kindle: Jeder, der möchte, kann sein Manuskript in ein paar einfachen Schritten von einem Word-Dokument in ein eBook umwandeln, auf die Kindle-Plattform hochladen und selbst bepreisen. Dann erscheint das Buch Marke Eigenbau genau so wie alle anderen Bücher im Angebot des großen Online-Versenders. Eine ähnliche Selbstpublikations-Variante bietet auch Sony für seinen eBook-Shop an, nur ist es dort nicht so einfach, ein eBook zu erstellen. Bei den anderen eBook-Plattformen, etwa bei Thalia, ist eine Eigenpublikation nicht vorgesehen.

Wer übernimmt in dem neuen Modell nun die qualitative Einschätzung der Werke? Diese Tätigkeit von Verlegern und Lektoren geht nun in die Hand dar Nutzer über - sie bewerten und kommentieren die digitalen Bücher und geben so dem Nutzer Anhaltspunkte, was er kaufen kann und was er besser meidet. Zusätzlich helfen Angebote wie ein paar Probeseiten dem Nutzer, das digitale Produkt besser einzuschätzen.

Bisher wird dieses Angebot noch wenig genutzt - auf der Kindle-Plattform liegen erst rund 8.000 deutschsprachige eBooks vor, auch deswegen, weil die deutschsprachigen Verlage dort bisher nicht publizieren. Was verständlich ist - wer öffnet schon gerne seinem Nachfolger die Tür? Doch auch diese Reserviertheit wird - so bleibt zu hoffen - das liberalere Modell des Publizierens nicht aufhalten.